Mehr Demokratie im Planungsrecht! Neues Gesetz zeigt Wirkung
Im Neubaugebiet "Am Holunderbusch" war ein größerer Bereich für Parkplätze und eine Sozialstation geplant. Das geplante Gebäude passte sich an die rundherum stehende Einfamilienhausbebauung an. Weil kein Betreiber für die Sozialstation gefunden werden konnte, sollte das Gebäude nun durch ein weiteres massiges Gebäude mit Schlichtwohnungen ersetzt werden. Als sozialromantische Begründung hieß es, Wohnraum für junge Familien, Geringverdiener und Flüchtlinge sollte geschaffen werden. Dazu müsste allerdings der Bebauungsplan geändert werden. Wie in Dassendorf seit einiger Zeit üblich, sollte das im Ruckzuckverfahren als vereinfachte Änderung durchgezogen werden. Bei der Abstimmung über den Aufstellungsbeschluss für die beabsichtigte Änderung kam es wegen des irrationalen Stimmverhaltens einiger Gemeindevertreter zum Eklat. Aus dem Schnellverfahren wurde aber nichts. Eine neue gesetzliche Möglichkeit hatte sich bei den betroffenen Bürgern herumgesprochen. Danach können die Bürger in der frühen Phase des Bebauungsplanverfahrens ein Bürgerbegehren einreichen, wonach ein Bürgerentscheid über die beabsichtigte Planung (/sänderung) durchgeführt werden soll. Dafür sind in Dassendorf ca. 250 Stimmen /Unterschriften erforderlich.
Angesichts der allgemeinen Empörung über die Absichten der Mehrheit in der Gemeindevertretung war dieses Quorum leicht zu erreichen. Bei ca. 350 Unterschriften hörten die Initiatoren auf zu sammeln. Das reichte. Das Bürgerbegehren auf Bürgerentscheid wurde von der Kommunalaufsicht genehmigt. Im nächsten Schritt hätten alle Bürger über den beantragten Bürgerentscheid abstimmen müssen. Dem Bürgerentscheid wichen die Befürworter der Maßnahme dann lieber aus. Sie hoben den Aufstellungsbeschluss auf, weil das Ergebnis eines Bürgerentscheides abzusehen war. Allzu einfach war zu erkennen, wie die Seilschaften gestrickt waren. Die Neubürger am Holunderbusch wären fast Opfer der Kumpanei von SPD und Investor geworden.
Der Erfolg der Anlieger ist von allgemeinem Interesse, weil diese Gesetzesänderung den Bürgern endlich die Möglichkeit gibt, im Bebauungsplanverfahren entscheidenden Einfluß zu nehmen.
Die Gesetzesänderung wurde am 22.2.2013
durch den Landtag auf Initiative des Vereins "Mehr Demokratie" geschaffen. Bekanntlich ist das Bebauungsplanverfahren ein offenes Feld für interessenbestimmtes staatliches Handeln. Die Vielzahl der Rechtstreitigkeiten zeugt davon. Leider sind die gesetzlichen Bestimmungen immer lascher geworden, so dass Gerechtigkeit und Umwelt schnell unter die Räder kommen. Die neu eingeführte Strafbarkeit der Bestechung und Vorteilsnahme von Gemeindevertretern wird trotz der schwierigen Beweislage vielleicht Verbesserungen bringen. Die gesetzliche Möglichkeit über das "Ob" einer Bauleitplanung einen Bürgerentscheid beantragen zu können, hat sich aber bereits in mehreren Fällen als scharfes Schwert gegen Planungswillkür und Interessentenklüngel erwiesen.
Bei der Nutzung der neuen Vorschriften ist unbedingt zu beachten, dass nur in der Anfangsphase der Bauleitplanung ein Bürgerbegehren auf Bürgerentscheid möglich ist. Es kann nur über das "Ob" nicht aber über das "Wie" abgestimmt werden. Betroffene sollten sich deshalb sputen und nicht lange abwarten. Die Fristen im vereinfachten Verfahren sind kurz und die Anhörungen lassen sich bis zur Unkenntlichkeit verkürzen. Hören, lesen Sie von den Plänen, heißt es aktiv werden. Erster Schritt sollte die Einsichtnahme in die gefassten Beschlüsse sein. Wird die Einsichtnahme nicht auf Zuruf oder unvollständig gewährt, ist schriftlicher Antrag mit Fristsetzung beim Amt zu stellen. Im vorliegenden Fall kam den betroffenen Bürger zur Hilfe, dass durch eine Satzungsänderung die Zusammensetzung und Zuständigkeit der Ausschüsse in der Schwebe war. Bürgermeisterin und Amtsverwaltung waren von der beabsichtigten Änderung wenig begeistert. Das ist nicht immer so. Eine entschlossene Mehrheit kann es schaffen, innerhalb von 6 Wochen das Verfahren soweit voran zu treiben, dass ein Bürgerbegehren an die Zulässigkeitsgrenze stößt.
Die Freude über die neuen Möglichkeiten der Bürger im Baurecht ist allerdings ein wenig getrübt. Die neuen Bestimmmungen gelten nicht für baurechtliche Satzungen, z.B. Abrundungssatzungen nach §34 BauGB oder Erhaltungssatzungen. Nach geltender Rechtsprechung bedarf es keines Aufstellungsbeschlusses für einen rechtmäßigen Bebauungsplan. Heilungsvorschriften unterschiedlichster Art machen das möglich. Ob die neuen Bürgerrechte auf diesem Wege ausgehebelt werden können, dürfte wohl bald Gegenstand der Rechtsprechung werden. Immerhin hatte der Städtetag mit diesem Einwand gegen das Gesetz argumentiert.
Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass diese neue Regelung von der derzeitigen Mehrheit im Landtag (SPD, Grüne, Dänische) beschlossen wurde. Sie findet sich etwas versteckt im §16 g der Gemeindeordnung Schleswig-Holsteins Abs. 2 " Ein Bürgerentscheid findet nicht statt über : 1. ... 6. Entscheidungen im Rahmen der Bauleitplanung mit Ausnahme des Aufstellungsbeschlusses sowie dessen Änderung, Ergänzung oder Aufhebung, ..... "
Weiteres ist zu finden unter : Landesverordnung zur Durchführung der Gemeinde-, der Kreis- und der Amtsordnung (GKAVO) Vom 5. November 2008 § 9 Durchführung des Bürgerbegehrens nach § 16 g der Gemeindeordnung GKAVO